Die Säulenträgerin - eine Meditation von Sr. Maria Leo Susenburger
Ich hoffe, Sie erkennen alle, was das Bild darstellt:
Eine Frau, die eine Säule trägt,
eine Frau, die eine Säule auf ihrem Rücken trägt,
eine Säule, auf der die Gewölbe des Domes aufruhen,
eine Frau, die das Gewölbe des Domes trägt,
eine Frau, die die Kirche trägt!
Die Last ist schwer.
Tief gebeugt trägt die Frau mit dem Rücken
und mit dem Nacken die mächtige Last.
Die Arme muß sie auf den Hüften aufstützen.
Aber trotz des fast erdrückenden Gewichtes im Nacken
liegt ein feines Lächeln auf dem Gesicht der Frau.
Ihre Augen sind nach innen gewandt.
Den herrlichen Schlußstein droben im Netzgewölbe sieht sie nicht.
Aber sie weiß um die Zusammenhänge von unten und oben,
von Anfangen-müssen und Warten-Können.
Ganz behutsam setzt sie einen Schritt vor den anderen.
Welchen Weg geht diese Frau?
Sie geht den Weg, von dem Paulus sagt,
daß er alle anderen Wege übertrifft:
den Weg der selbstlosen Liebe,
den Weg den Paulus im 13. Kapitel des Korintherbriefes besingt:
"Die Liebe ist langmütig,
die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig,
sucht nicht den eigenen Vorteil,
läßt sich nicht zum Zorn reizen,
trägt das Böse nicht nach.
Sie erträgt alles,
hofft alles,
sie hält allem stand." (1. Kor 13,4-5.7)
Wer ist diese Frau?
Eine, die den Weg Jesu begriffen hat.
"Der Menschensohn ist nicht gekommen,
um sich bedienen zu lassen,
sondern um zu dienen." (Mk 10,45)
Sie sucht nicht nach Plätzen
zur Rechten und zur Linken im Reich Gottes.
Sie steht mit Jesus auf dem untersten, auf dem letzten Platz.
Ganz "diakonos", ganz Diener, Dienerin!
- die erste Amtsbezeichnung im Neuen Testament.
Wer ist diese Frau?
Eine der vielen Ungezählten, Namenlosen,
die die Last der Kircheverborgen durch die Jahrhunderte tragen.
"Einer trage des anderen Last,
so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen."
Wer ist diese Frau?
Du und ich!
Wir alle tragen die Kirche ein Stück weit
an dem Ort, an dem wir stehen.
Auf uns kommt es an, auf jede von uns,
sonst bricht das Gewölbe zusammen.
Warum bricht die Frau unter ihrer Last nicht zusammen?
Warum kann sie unter dieser Last noch lächeln?
Woher nimmt sie ihre Kraft?
Die Tragkraft der Frau beruht nicht auf ihren biologischen Fähigkeiten.
Die Frau schöpft ihre Kraft nicht aus sich selber,
sie schöpft ihre Kraft aus einer tieferen Quelle:
"Kommt her zu mir alle, die ihr euch plagt
und schwere Lasten zu tragen habt.
Ich werde euch Ruhe geben.
Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir;
denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht."
"Im Stillsein und Vertrauen liegt ihre Kraft!"
"Die Freude am Herrn ist ihre Stärke!" (Neh 8,10)
"Am letzten Tag noch wird sie lachen." (Spr 31,25)